Halal Media Solution – Susann Uckan

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Fatima – Kapitel 2: Pinterest-Träume & Google-Frust

Drei Wochen waren vergangen. Drei Wochen, in denen Fatima jede freie Minute vor dem Laptop verbracht hatte. Ihr Browser-Verlauf glich einem Labyrinth aus Suchanfragen:

„Wie gründe ich ein Online-Business“,
„Baby-Coaching als Muslima“,
„Selbstständig mit Baby – Erfahrungen“,
„Online-Kurse erstellen für Anfänger“.

Es war 23:47 Uhr. Ahmed schlief bereits, Layla auch. Die perfekte Zeit für das, was Fatima heimlich ihre „Recherche-Sessions“ nannte. Doch statt des erhofften Durchblicks fühlte sie sich verwirrter als je zuvor.

Auf ihrem Bildschirm leuchteten 23 offene Tabs.
Pinterest zeigte ihr perfekte Home-Offices mit Deko in Rosé-Gold.
Instagram präsentierte Erfolgsgeschichten von Frauen, die „in nur 6 Monaten sechsstellig“ geworden waren.
YouTube-Videos versprachen „Die 7 wichtigsten Schritte zur erfolgreichen Gründung“, wobei jeder Kanal andere Schritte predigte.

Moment mal, dachte Fatima und scrollte durch einen Artikel über „Die ultimative Checkliste für Gründerinnen“. Brauche ich wirklich ein Corporate Design, bevor ich überhaupt weiß, ob meine Idee funktioniert?

Sie klickte sich weiter zu einem Blog-Artikel: „Warum 90% aller Online-Businesse scheitern“. Ihr Magen zog sich zusammen. Die Autorin – eine blonde Frau mit makellosem Lächeln – listete Fehler auf, die Fatima noch gar nicht machen konnte, weil sie noch nicht einmal angefangen hatte.

„Du musst deine Zielgruppe genau definieren“, stand da.
„Erstelle detaillierte Buyer Personas mit Namen, Alter, Einkommen und Schmerzpunkten.“

Fatima seufzte. Ihre „Zielgruppe“ waren Mütter wie sie. Frauen, die nachts wach lagen, weil das Baby nicht zur Ruhe kam. Die sich hilflos fühlten, wenn alle Ratschläge der Großmutter nicht griffen. Das war doch klar, oder nicht?

Aber offenbar war es nicht klar genug. Der nächste Artikel erklärte ihr, dass sie eine „detaillierte Marktanalyse“ bräuchte. Mit Zahlen. Mit Statistiken. Mit Konkurrenz-Analysen.

Konkurrenz? Fatima tippte „Baby-Coaching Deutschland“ in die Suchleiste. 2.340.000 Ergebnisse. Ihr Herz sank.

Da waren Websites mit professionellen Fotos. Zertifikate von Ausbildungsinstituten, von denen sie noch nie gehört hatte. Preise für Beratungen, die höher waren als ihr Monatsbudget für Lebensmittel.

Sie klickte auf das Profil einer „zertifizierten Schlafberaterin“. Die Frau lächelte strahlend in die Kamera, ein schlafendes Baby im Arm. „Über 500 Familien glücklich gemacht“, stand in der Bio. 15.000 Follower. Testimonials von dankbaren Eltern.

Fatima schaute auf ihre eigenen Instagram-Follower: 127. Davon waren 30 Familienmitglieder und der Rest größtenteils stumme Beobachter.

Wer bin ich denn, dass ich denke, ich könnte das auch?

Sie öffnete ein neues Tab und suchte nach „Ausbildung Schlafberatung“.
850 Euro für einen Online-Kurs.
1.200 Euro für ein Wochenend-Seminar.
2.500 Euro für eine „vollumfängliche Zertifizierung“.

Das war mehr, als sie und Ahmed im Monat übrig hatten. Viel mehr.

Fatima lehnte sich zurück und rieb sich die müden Augen. Auf Pinterest hatte alles so einfach ausgesehen. Diese inspirierenden Zitate über „Deinen Traum leben“ und „Mut zum ersten Schritt“. Aber niemand hatte erwähnt, dass der erste Schritt ein ganzer Marathon sein würde.

Ihr Handy summte. Eine Nachricht von ihrer Schwester Amira: „Schläfst du noch nicht? Du warst heute so abwesend.“

Fatima starrte auf die Nachricht. Amira hatte recht. Den ganzen Tag über war sie physisch bei Layla gewesen, aber ihre Gedanken kreisten um Businesspläne und Zielgruppenanalysen. Beim Stillen hatte sie über Preisstrategien nachgedacht. Beim Wickeln über Marketingkanäle.

Sie tippte zurück: „Bin noch wach. Alles ok.“

Aber es war nicht ok. Drei Wochen intensiver Recherche hatten sie weiter von ihrer ursprünglichen Idee entfernt, statt näher heran. Die einfache Vision – anderen Müttern zu helfen – war unter Bergen von Informationen begraben worden.

Fatima schloss alle Tabs bis auf einen. Den allerersten Artikel, der sie auf diese Reise geschickt hatte: „Warum Mütter die besten Unternehmerinnen sind“. Sie las ihn noch einmal, langsam diesmal.

„Der Vorteil von Müttern liegt nicht in ihrer perfekten Vorbereitung“, stand da. „Er liegt in ihrer Fähigkeit, praktische Lösungen für echte Probleme zu finden. In ihrer Empathie. In ihrer Erfahrung aus erster Hand.“

Erste Hand. Das hatte sie. Mehr als alle Zertifikate und Kurse der Welt.

Fatima dachte an letzte Woche. Eine Nachbarin war in Tränen zu ihr gekommen. Ihr sechs Monate altes Baby schlief nur auf ihrem Arm ein. „Du scheinst das im Griff zu haben“, hatte sie gesagt und auf die schlafende Layla in ihrem Bettchen gezeigt. „Wie machst du das?“

Fatima hatte ihr gezeigt, was bei Layla funktionierte. Nicht aus Büchern gelernt, sondern durch Ausprobieren, Beobachten, Anpassen. Eine Woche später bedankte sich die Nachbarin: „Es funktioniert! Endlich schlafen wir alle wieder.“

Das war kein Zufall gewesen. Das war ihr Talent. Ihre Gabe.

Aber irgendwo zwischen „Marktanalyse“ und „Buyer Personas“ hatte sie das vergessen.

Fatima klappte den Laptop zu. Morgen würde sie etwas anderes tun. Statt zu recherchieren, würde sie reden. Mit anderen Müttern. Mit echten Menschen, die echte Probleme hatten.

Sie würde herausfinden, ob ihre Idee wirklich nur ein Pinterest-Traum war – oder ob da etwas Reales dahinter steckte.

Manchmal, dachte sie, während sie sich fertig für das Bett machte, ist weniger mehr.


Was Fatimas Recherche-Marathon uns lehrt:

Die Informationsflut des Internets kann zur größten Falle für angehende Gründerinnen werden. Was als hilfreiche Vorbereitung beginnt, verwandelt sich schnell in Prokrastination – getarnt als „gründliche Recherche“.

Das Problem liegt nicht in der Recherche selbst, sondern in ihrem Timing.

Zu viele Informationen am Anfang lähmen mehr, als sie helfen. Sie erzeugen das Gefühl, nie gut genug vorbereitet zu sein. Sie verwandeln eine simple, kraftvolle Idee in ein kompliziertes Konstrukt aus Anforderungen.

Die Wahrheit ist: Du brauchst keine Marktanalyse, um mit jemandem zu sprechen.
Du brauchst kein Corporate Design, um jemandem zu helfen.
Du brauchst keine Zertifizierung, um deine echte Erfahrung zu teilen.

Das wertvollste „Research“ passiert nicht vor dem Bildschirm, sondern im echten Gespräch. Mit echten Menschen, die das echte Problem haben, das du lösen möchtest.

Statt Wochen mit der Suche nach der perfekten Strategie zu verbringen, probiere das:

  • Führe 5 Gespräche mit Menschen aus deiner „Zielgruppe“

  • Frage nach ihren konkreten Herausforderungen

  • Teile deine Erfahrungen und schau, was resoniert

  • Notiere dir, was funktioniert und was nicht

Information ist wichtig. Aber zu viel Information zur falschen Zeit wird zur Ausrede, nie anzufangen.

Deine Erfahrung ist bereits wertvoll. Jetzt geht es darum, herauszufinden, für wen sie wertvoll ist.


Wird Fatima den Mut fassen, echte Gespräche zu führen? Oder wird die Angst vor dem „Nicht-genug-wissen“ sie zurückhalten? Das erfahrt ihr in Kapitel 3: „Die Angst, nicht genug zu wissen“…

(Link folgt)

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