
Der Markenkern ist das Herzstück deiner Markenidentität und doch scheitern die meisten Unternehmen daran, ihn klar zu definieren. Sie verwechseln ihn mit Marketingslogans, überkomplizieren ihn oder lassen ihn so allgemein, dass er beliebig wird. Dabei ist ein präzise formulierter Markenkern der Schlüssel zu allem: authentischer Kommunikation, konsistenten Entscheidungen und langfristigem Erfolg.
In diesem Artikel bekommst du eine Schritt-für-Schritt-Anleitung, mit der du deinen einzigartigen Markenkern entwickelst. Du wirst verstehen, was einen starken Markenkern ausmacht, welche häufigen Fallen du vermeiden solltest und wie du dein Ergebnis auf Herz und Nieren prüfst.
Was macht einen starken Markenkern aus?
Bevor wir in die praktische Entwicklung einsteigen, lass uns klären, was einen wirklich starken Markenkern auszeichnet.
Die fünf Merkmale eines starken Markenkerns
Prägnanz:
Dein Markenkern sollte in einem einzigen, kraftvollen Satz formulierbar sein. Wenn du mehrere Absätze brauchst, um zu erklären, wofür deine Marke steht, ist er noch nicht auf den Punkt gebracht.
Einzigartigkeit:
Er muss dich klar von der Konkurrenz unterscheiden. Ein Markenkern wie „Wir bieten Qualität und Service“ könnte auf jedes Unternehmen zutreffen. Das ist nicht einzigartig genug.
Authentizität:
Der Markenkern muss zu deinen tatsächlichen Stärken und Möglichkeiten passen. Ein Startup kann nicht glaubwürdig behaupten, der „etablierte Marktführer“ zu sein.
Relevanz:
Er muss für deine Zielgruppe wichtig sein und deren tatsächliche Bedürfnisse ansprechen. Der schönste Markenkern nützt nichts, wenn er an den Kundenwünschen vorbeigeht.
Zeitlosigkeit:
Ein guter Markenkern übersteht Produktänderungen, Markterweiterungen und sogar Zielgruppenwechsel. Er ist stabil genug für die nächsten 10-20 Jahre.
Schritt 1: Deine einzigartigen Stärken identifizieren
Der erste Schritt zur Entwicklung deines Markenkerns ist eine ehrliche Bestandsaufnahme deiner Stärken. Viele Unternehmer überspringen diesen Schritt oder gehen zu oberflächlich vor – ein Fehler, der sich später rächt.
Die Stärken-Analyse in der Praxis
Setze dich mit deinem Team zusammen und beantworte folgende Fragen schriftlich. Wichtig: Sammelt zunächst alle Ideen ungefiltert, bewertet erst später.
- Was können wir besser als alle anderen in unserem Markt?
Denke dabei nicht nur an Produkte oder Services, sondern auch an Prozesse, Expertise, Netzwerke oder besondere Ressourcen.
- Wofür werden wir von Kunden immer wieder gelobt?
Schaue in deine Kundenbewertungen, Testimonials und Feedback-Gespräche. Welche Worte und Phrasen tauchen immer wieder auf?
- Welche besonderen Erfahrungen, Qualifikationen oder Perspektiven bringen wir mit?
Oft liegen hier versteckte Differenzierungsmerkmale, die übersehen werden.
- Was würde fehlen, wenn es uns nicht gäbe?
Diese Frage hilft dabei, den einzigartigen Beitrag deines Unternehmens zu identifizieren.
Externe Perspektive einholen
Frage auch deine besten Kunden: „Wenn ihr einem Freund erklären müsstet, warum ihr mit uns arbeitet, was würdet ihr sagen?“ Die Antworten sind oft überraschend und decken Stärken auf, die du als selbstverständlich betrachtest.
Sammle mindestens 10-15 verschiedene Stärken und Alleinstellungsmerkmale. In den nächsten Schritten werden wir sie weiter verdichten.
Schritt 2: Deine Zielgruppe und ihre Bedürfnisse verstehen
Ein Markenkern, der nur auf deinen Stärken basiert, aber die Kundenbedürfnisse ignoriert, führt ins Leere. Deshalb ist der zweite Schritt eine tiefgehende Analyse deiner Zielgruppe.
Jenseits der demografischen Daten
Vergiss Alter, Geschlecht und Einkommen… das sind nur Oberflächenmerkmale. Für einen starken Markenkern brauchst du tiefere Einsichten in die psychographischen Merkmale deiner Zielgruppe.
- Welche Probleme halten deine Kunden nachts wach?
Gehe über die offensichtlichen Geschäftsprobleme hinaus. Welche Ängste, Sorgen und Herausforderungen beschäftigen sie wirklich?
- Was sind ihre heimlichen Wünsche und Träume?
Oft kaufen Menschen nicht das Produkt, sondern das Gefühl oder die Identität, die damit verbunden ist.
- Welche emotionalen Trigger sprechen sie an?
Sicherheit, Anerkennung, Zugehörigkeit, Freiheit… verschiedene Menschen werden von verschiedenen emotionalen Bedürfnissen getrieben.
Die Jobs-to-be-Done Methode
Nutze das Jobs-to-be-Done Framework: Für welche „Arbeit“ wird dein Produkt oder Service „eingestellt“?
Ein Bohrer wird nicht gekauft, um Löcher zu bohren, sondern um Bilder aufzuhängen, um das Zuhause schöner zu machen, um sich wohlzufühlen.
Führe mindestens 5-10 Tiefeninterviews mit deinen besten Kunden. Frage nicht, was sie an deinem Produkt mögen, sondern welches Problem es für sie löst und wie sich ihr Leben dadurch verändert hat.
Schritt 3: Die Schnittmenge finden – Wo treffen sich Stärken und Bedürfnisse?
Jetzt kommt der entscheidende Moment: Du musst die Schnittmenge zwischen deinen einzigartigen Stärken und den wichtigsten Kundenbedürfnissen finden. Hier entsteht dein Markenkern.
Das Schnittmengen-Matrix-Verfahren
Erstelle eine Matrix mit zwei Achsen:
- Horizontale Achse: Wie wichtig ist dieses Bedürfnis für deine Zielgruppe? (Skala 1-10)
- Vertikale Achse: Wie einzigartig und stark bist du in diesem Bereich? (Skala 1-10)
Trage alle identifizierten Stärken und Bedürfnisse ein. Die Bereiche im oberen rechten Quadranten (hohe Wichtigkeit + hohe Einzigartigkeit) sind deine Goldminen.
Drei kritische Fragen zur Validierung
Für jeden vielversprechenden Kandidaten aus der Matrix stellst du dir diese Fragen:
- Ist es authentisch?
Kannst du diese Stärke ehrlich und glaubwürdig kommunizieren, ohne dass es aufgesetzt wirkt?
- Ist es nachhaltig?
Wird diese Stärke auch in 5-10 Jahren noch relevant und schwer kopierbar sein?
- Ist es mobilisierend?
Können sich deine Mitarbeiter damit identifizieren und werden Kunden emotional darauf ansprechen?
Schritt 4: Deinen Markenkern formulieren
Mit den Erkenntnissen aus den ersten drei Schritten kannst du nun deinen Markenkern formulieren. Hier trennt sich die Spreu vom Weizen. Viele gute Analysen scheitern an einer schwachen Formulierung.
Die Markenkern-Formel
Eine bewährte Struktur für die Formulierung ist:
„Wir sind [einzigartige Positionierung] für [Zielgruppe], die [spezifisches Problem/Bedürfnis] haben. Durch [besondere Stärke/Ansatz] ermöglichen wir [gewünschtes Ergebnis/Transformation].“
Diese Formel ist nur ein Gerüst. Dein finaler Markenkern sollte natürlich und eingängig klingen, nicht wie ein Baukastensatz.
Verschiedene Formulierungsansätze testen
Probiere verschiedene Ansätze aus:
Der Nutzen-Ansatz:
Fokussiert auf das Ergebnis für den Kunden „Wir verwandeln komplexe Daten in klare Entscheidungen.“
Der Methoden-Ansatz:
Betont den einzigartigen Weg oder Prozess „Wir lösen Führungsprobleme durch systemisches Coaching statt oberflächlicher Beratung.“
Der Wertebasierte Ansatz:
Stellt Überzeugungen in den Mittelpunkt „Wir glauben, dass nachhaltiger Erfolg nur durch authentische Führung entsteht.“
Der Elevator-Pitch-Test
Dein Markenkern sollte den Elevator-Pitch-Test bestehen: Kannst du in 30 Sekunden erklären, wofür deine Marke steht, und wird dein Gegenüber neugierig oder nickt gelangweilt ab?
Schritt 5: Validierung und Verfeinerung
Ein Markenkern ist nicht in Stein gemeißelt. Der fünfte Schritt besteht darin, deine Formulierung zu testen und zu verfeinern.
Interne Validierung
Präsentiere deinen Markenkern-Kandidaten deinem Team. Achte dabei auf nonverbale Reaktionen:
- Leuchten die Augen auf oder sieht man Fragezeichen?
- Können alle sofort erklären, was der Markenkern bedeutet?
- Fühlt er sich authentisch an oder aufgesetzt?
Externe Validierung
Teste den Markenkern mit einer kleinen Gruppe vertrauensvoller Kunden:
- Verstehen sie sofort, worum es geht?
- Spricht er sie emotional an?
- Unterscheidet er dich klar von der Konkurrenz?
Der Konsistenz-Check
Prüfe deinen Markenkern gegen deine bestehende Kommunikation:
- Passt er zu deiner Website, deinen Broschüren, deiner Art zu kommunizieren?
- Wenn nicht: Was muss sich ändern, der Markenkern oder die Kommunikation?
Die häufigsten Fehler beim Markenkern vermeiden
Auch mit der besten Anleitung passieren Fehler. Hier sind die fünf häufigsten Fallen und wie du sie umgehst:
Fehler 1: Zu allgemein bleiben
Problem: „Wir bieten innovative Lösungen für unsere Kunden.“
Lösung: Werde spezifisch. Was genau ist innovativ? Für welche Kunden? Welche Art von Lösungen?
Fehler 2: Sich selbst überschätzen
Problem: „Wir sind die Besten in allem.“
Lösung: Konzentriere dich auf 1-2 Bereiche, in denen du wirklich überlegen bist.
Fehler 3: Features statt Nutzen kommunizieren
Problem: „Wir haben 20 Jahre Erfahrung und ISO-Zertifizierung.“
Lösung: Was bedeutet das für den Kunden? Welches Problem löst du dadurch?
Fehler 4: Den Markenkern zu komplex machen
Problem: Drei Sätze mit Nebensätzen und Fachbegriffen.
Lösung: Ein klarer, verständlicher Hauptsatz reicht.
Fehler 5: Nicht authentisch sein
Problem: Den Markenkern von erfolgreichen Konkurrenten kopieren.
Lösung: Finde deine eigene, authentische Positionierung.
Von der Theorie zur Praxis: Deinen Markenkern implementieren
Ein brillant formulierter Markenkern, der in der Schublade verstaubt, ist wertlos. Der letzte Schritt besteht darin, ihn in deinem Unternehmen zu verankern.
Der Markenkern als Entscheidungsfilter
Nutze deinen Markenkern als Filter für alle wichtigen Entscheidungen:
- Passt diese neue Produktidee zu unserem Markenkern?
- Unterstützt diese Marketingkampagne unseren Markenkern?
- Spiegelt sich unser Markenkern in dieser Partnerschaft wider?
Kommunikation nach innen und außen
Dein Markenkern sollte nicht nur in der Außenkommunikation sichtbar werden, sondern auch intern gelebt werden. Mitarbeiter müssen verstehen und verkörpern können, wofür die Marke steht.
Regelmäßige Überprüfung
Plane einmal jährlich eine Markenkern-Review.
- Hat er noch die gleiche Relevanz?
- Sind neue Stärken entstanden?
- Haben sich Kundenbedürfnisse verschoben?
Dein nächster Schritt
Du hast jetzt eine klare Roadmap zur Entwicklung deines Markenkerns. Der wichtigste Schritt ist, anzufangen. Nimm dir einen halben Tag Zeit und arbeite die ersten drei Schritte durch. Du wirst überrascht sein, wie klar sich deine Markenidentität herauskristallisiert.
Denke daran: Ein guter Markenkern ist nicht perfekt, sondern authentisch und klar. Er wächst und entwickelt sich mit deinem Unternehmen, bleibt aber als Kern stabil.
Möchtest du tiefer in das Thema Markenidentität einsteigen? Dieser Artikel ist Teil einer umfassenden Serie über den strategischen Aufbau einer starken Markenidentität. Im Hauptartikel „Die Fundamente einer starken Markenidentität“ erfährst du, wie der Markenkern mit den anderen beiden Säulen – Mission & Vision sowie Markenwerten – zu einem kohärenten Gesamtsystem wird.
Wenn du Hilfe brauchst, deine Markenidentität zu finden oder klar zu definieren – melde dich bei mir und lass uns einfach mal darüber reden:
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